Letzte Woche fiel der Startschuss für das Großprojekt "Pflege vor Ort" in Ludwigsfelde, welches als Knotenpunkt für Pflegebedürftige, pflegende Angehörige, professionelle Einzelpersonen, sowie Vereine, Institutionen und Ehrenamtliche, die sich mit Pflege befassen, fungieren wird.
Seit März gibt es eine Koordinatorin für diese neu geschaffene Stelle, getragen vom ASB und finanziert durch die Stadt Ludwigsfelde. Ihr Name ist Kerstin Bornholt und sie stellt sich hier im Interview mit uns vor.

Sie sind seit April die Koordinatorin von Pflege vor Ort. Wie kam es dazu?

Das ging eigentlich relativ schnell. Für mich stand schon länger fest, dass ich beruflich etwas verändern will. Ich habe gelesen, dass der ASB eine Koordinatorin für das geförderte Projekt sucht und ich hab‘ mich in der Beschreibung total wieder gefunden.

Was hat Sie da besonders angesprochen?

Ich bin Krankenschwester und Pflegeberaterin. In den letzten zwei Jahren, die ich im Sozialdienst gearbeitet habe, habe ich gesehen, dass Hochaltrige eher zurückhaltend damit sind, Hilfe anzunehmen. Oft tun sie es erst, wenn der Leidensdruck sehr hoch ist und dann wird ihnen häufig Druck gemacht – nach dem Motto: entweder Sie nehmen Hilfe an, oder Sie lassen es ganz. So würde ich es auch für mich selbst nicht wollen. Und von daher habe ich gedacht, dass das vor allem durch mehr Informations- und Beratungsangebote geändert werden sollte, die vorher ansetzten. Ich sage mal, wir bringen Bewegung in die Sache. Bis Ende 2023 ist das Projekt erstmal genehmigt.

Das heißt, Sie haben die Erfahrungen als Krankenschwester und Pflegeberaterin und haben gesehen, welche Beratungsangebote fehlen. Aber in der Pflege sind Sie parallel nicht mehr tätig?

Genau, bis vor 3 Jahren habe ich noch in der Pflege gearbeitet, habe im Anschluss daran in den Sozialdienst gewechselt und bin dann nach Ludwigsfelde gekommen. Ich habe erkannt, dass viele Menschen sich erst mit dem Thema Pflegebedürftigkeit befassen, wenn es soweit ist. Und daher ist es wichtig, vorher zu beraten und  darüber zu informieren, worauf es zu achten gilt, was man selber schon im Vorfeld machen kann um die eigene Selbstständigkeit selbstbestimmt zu erhalten.

Sie sind also ein Neuzugang in Ludwigsfelde?

Ja, also ganz Brandenburg ist neu für mich. Ich war hier noch nie. Vorher habe ich in Böklundt gewohnt, das ist zwischen Schleswig und Flensburg – die Böklunder Würstchen kennen vielleicht einige.

Und wie gehen Sie vor, um die Leute hier kennenzulernen?

Ich habe mich mit einigen Menschen in Verbindung gesetzt, die in Ludwigsfelde sehr engagiert sind und auch mit einigen Anlaufstellen für Bürgerinnen und Bürger. Ich bin hingegangen und habe mich vorgestellt und damit bin ich immer noch beschäftigt. Und über jeden Kontakt bekomme ich wiederum weitere Vernetzungsmöglichkeiten aufgezeigt.

Sie haben jetzt sehr viel Neues zu erfahren – viel zu tun! Aber es hat sicher auch Vorteile, der Blick als neu Hinzugezogene?

Ja. Ich schaue mit einem anderen Blick drauf, weil ich anderes kenne und freue mich, über den Tellerrand blicken zu dürfen und neues schönes zu erfahren.

Worin sehen sie den Unterschied zwischen dem was Sie zuvor gemacht haben und dem was nun auf Sie zukommt? Worin liegt der Unterschied zwischen Sozialstation und Pflege vor Ort?

Die Sozialstation berät und pflegt auch. Der Pflegestützpunkt berät und hilft beim Ausfüllen von Anträgen und Formularen und vermittelt weiter. Und es sieht danach aus, dass mein Schwerpunkt in der Vermittlung liegt, inklusive Netzwerkaufbau und Koordination. Der präventive Aspekt soll dabei im Fokus stehen.

Worin liegt denn der Vorteil für Pflegende, dass es eine Vernetzungsstelle gibt?

Da sind wir wieder bei den niedrigschwelligen Angeboten durch Ehrenämter, wodurch die Angehörigen in verschiedenen Bereichen entlastet werden sollen.

Es hier in Ludwigsfelde eine ganze Menge Angebote für Pflege, und auch viele Beratungsstellen, aber keinen unmittelbaren Zugang für Pflegeangebote.
Das führt dazu, dass man mit dem Thema wartet, bis es nicht mehr anders geht. Und tatsächlich ist Vorsorge das beste was man machen kann.
Vorteil durch eine Vernetzte Stelle ist außerdem, dass man das Thema Pflege gesondert darstellt und somit mehr Aufmerksamkeit auf die Pflege an sich und vor Ort lenkt. Denn Pflege betrifft uns alle, man findet es eigentlich überall: beim Frisör, beim Einkaufen, im Bus und in der Bahn, Hilfsmittel sind Pflege…

Dieses Projekt geht ja vor allem darum, soziale Teilhabe zu ermöglichen, um die Pflege in der Häuslichkeit und darum, die Angehörigen zu entlasten. Das geht alle etwas an, auch die jüngeren Leute. Und auch die jüngeren wird das Thema Pflege irgendwann mal in irgendeiner Form betreffen – ob sie jemanden pflegen, oder selbst pflegebedürftig werden.

Und wie funktioniert das Projekt zurzeit in der Praxis?

Zurzeit arbeite ich noch ohne feste Sprechzeiten mit Terminvergabe, da ich noch herausfinden muss, welche Angebote gewünscht werden, sodass sie auch angenommen werden. Auch die Ortsteile sollen dabei nicht vergessen werden – Ludwigsfelde ist eben nicht nur die Potsdamer Straße, sondern besteht aus vielen verschiedenen Teilen. Voraussichtlich habe ich in Zukunft meine Sprechzeiten im Waldhaus, werde aber auch weiterhin in die Häuslichkeit gehen. Momentan ist es noch recht anspruchsvoll für mich, alles in eine 30 Stunden Woche zu bekommen.

Sind sie dann mit dem Fahrrad unterwegs zu all‘ Ihren Vernetzungstreffen? Da kommt sicher einiges an Kilometern zusammen.

In der Kernstadt kann ich einige Termine fußläufig ganz gut miteinander verbinden, in den Ortsteilen bin ich dann tatsächlich eher mit meinem privaten PKW unterwegs.

Als ehemalige Krankenschwester sind Sie sicher daran gewöhnt viel zu laufen.

Wenn ich laufe, habe ich einen flotten Gang! Tatsächlich sind 13 – 15km pro Schicht normal.

Sie haben es vorhin schon angesprochen und wir haben uns bereits dazu ausgetauscht – Mit Ihrer Stelle wird auch die Vermittlung Ehrenamtlicher erleichtert, die sich für Menschen mit Pflegebedarf engagieren möchten. Welche Engagementmöglichkeiten sehen Sie vor allem in Ihrem Tätigkeitsfeld?

Welche Bedarfe es genau gibt, werde ich noch evaluieren müssen. Ich denke aber, dass es darum gehen wird, Bewegung und Merkfähigkeit zu fördern, etwa durch kleine Alltagsübungen die man gemeinsam und bei den Menschen zu Hause macht, um Amts- und Behördengänge, um Hol- und Bringdienst, Beratungen und um gemeinsame Aktivitäten wie Sport, Musik, Entspannung, Backen, Basteln, oder ähnliches.

Jetzt haben wir einiges darüber erfahren, was Sie an Erfahrung und Ideen für Ihre Stelle mitbringen – was machen Sie denn gern außerhalb des beruflichen Kontexts?

Ich liebe Yoga, oft komme ich allerdings nicht regelmäßig dazu.
Was mir ganz wichtig war und auch mit ausschlaggebend dafür, dass ich nach Brandenburg gezogen bin, war dass es hier Wasser gibt. Ich SUPe nämlich - Ich gehe Standup-Paddeln, wie zum Beispiel letztes Wochenende am Wünsdorfer See. Ganz ursprünglich komme ich von Föhr, ich bin also eigentlich ein richtiges Nordseekind, meine Ausbildung hab‘ ich dann in Bremerhaven gemacht, danach bin ich zwischen den Meeren gezogen und habe die Ostsee und die Schlei zu lieben gelernt. Also ich sage mal, mir ist es egal wo ich wohne – Hauptsache Wasser. Und ich fahre Fahrrad und ich nähe gern.

Und zum Abschluss: Was wären Ihre ersten Wochen Ludwigsfelde in einem Song?

Ein Song? Tatsächlich vielleicht Mut  von Alexa Feser.